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PZ-Interview mit Jens Keller über seinen Rauswurf bei Schalke 04, den Druck als Bundesligatrainer und Pforzheims Chancen im Fußball

Gepostet am Nov 13, 2014

Locker: Ex-Schalke-Trainer Jens Keller beim Besuch in Pforzheim. Ketterl

Locker: Ex-Schalke-Trainer Jens Keller beim Besuch in Pforzheim. Ketterl

PZ-Interview mit Jens Keller über seinen Rauswurf bei Schalke 04, den Druck als Bundesligatrainer und Pforzheims Chancen im Fußball

Vor fünf Wochen wurde Jens Keller beim Bundesligisten FC Schalke 04 entlassen. Seitdem war der 43-Jährige untergetaucht, hatte keine Interviews gegeben.

Auf Einladung seines Beraters Ronny Zeller schaute der Fußballtrainer jetzt in Pforzheim vorbei. Im Restaurant ?Palm Beach? auf der Wilferdinger Höhe gab Keller der ?Pforzheimer Zeitung? das erste Interview nach seinem Rauswurf.

PZ: Herr Keller, wenn Sie jetzt nach Ihrer Zeit auf Schalke ein Buch schreiben müssten, welchen Titel würde es tragen?

Jens Keller: Oh je, gute Frage. Auf die Schnelle fällt mir da gar kein guter Titel ein.

PZ: Wie wäre es mit ?Jens Keller ? der Mann, der auf Schalke durchs Stahlbad ging??

Jens Keller: Hört sich spannend an. Und das könnte auch passen. Schließlich war mein Job auf Schalke tatsächlich sehr anstrengend. Es war nervenaufreibend, ja unheimlich intensiv und nicht ganz einfach. Aber ich glaube, ich habe das sehr, sehr gut gemeistert.

PZ: Sie standen als bisheriger B-Juniorentrainer bei S04 vom ersten Tag an in der Kritik. Führten das Team aber mit Platz vier und drei jeweils in die Champions League und spielten vergangene Saison sogar die beste Rückrunde der Vereinsgeschichte. Trotzdem hatten Sie zwei Jahre lang keine Ruhe. Gehen Sie gestärkt aus der ganzen Sache heraus?

Jens Keller: Absolut. Ich habe viele schöne Erfahrungen während meiner Tätigkeit auf Schalke gesammelt. Ich nehme sehr, sehr viele positive Dinge mit. Vor allem, dass ich mich gegen viele Widerstände durchgesetzt habe und gute Ergebnisse erzielen konnte. Ich war schon immer ein Kämpfer. Früher auf dem Platz und jetzt als Trainer bin ich es auch noch.

PZ: Beschreiben Sie doch mal den Druck, den ein Bundesliga-Trainer aushalten muss.

Jens Keller: Bundesligatrainer zu sein ist das eine, Trainer auf Schalke zu sein, das andere ? das ist nochmal eine Stufe extremer. Ich denke, es gibt in Deutschland nur wenige Clubs, die sich solch einen Erfolgsdruck auferlegen wie die Schalker. Der Druck dort ist einfach enorm, er ist Wahnsinn! Der Verein gehört eben auch zu den besten Teams in der Bundesliga. Jeder lebt dort für den Fußball. Die Fans geben ihr letztes Hemd für den Verein. Als Trainer stehst Du jeden Tag gewaltig unter Strom. Aber nichtsdestotrotz ist der Trainerberuf in der Bundesliga auch ein ungeheuer toller Job. Auch wenn man nur von Spiel zu Spiel lebt. Man muss quasi immer das nächste Spiel gewinnen, sonst wird die Luft dünner. Und das ist nicht ganz so einfach.

PZ: Wie konnten Sie dem extremen Druck auf Schalke standhalten?

Jens Keller: Mit meiner Familie konnte ich immer wieder gut abschalten. Hin und wieder habe ich auch das Handy ausgeschaltet. Ich wollte einfach Ruhe. Und die ist auch wichtig, sonst wird man wahnsinnig.

PZ: Ist der Trainerjob immer noch ein Traumjob für Sie?

Jens Keller: Der Job an sich ist ein Traum und macht unheimlich viel Spaß. Man muss eben nur mit dem ganzen Drumherum klarkommen.

PZ: Nach Ihrer Entlassung: Wie lange haben Sie gebraucht, um herunterzukommen?

Jens Keller: Ich bin immer noch dabei. Die zwei Jahre auf Schalke stecken immer noch in mir. Ich mache mir noch viele Gedanken über verschiedene Dinge. Aber so langsam fahre ich runter. Wann ich allerdings komplett bei null bin, kann ich nicht sagen.

PZ: Nach der schwierigen Zeit beim VfB Stuttgart, wo Sie als Interimstrainer für den entlassenen Christian Gross in der Saison 2010/11 nach 13 Spielen ebenfalls gefeuert wurden, hat Ihre Frau gesagt, sie will so etwas nicht noch einmal durchmachen müssen. Was hat Sie jetzt nach der Zeit auf Schalke gesagt?

Jens Keller: Ich saß ja beim VfB nur kurz auf der Trainerbank. Aber es war, genauso wie auf Schalke, eine extrem intensive Zeit. Das bekommt natürlich auch die Familie zu spüren. Meine Frau freut sich deshalb jetzt, dass ich mehr zu Hause bin.

PZ: Schauen Sie sich Spiele von Schalke an?

Jens Keller: Nach der Entlassung war ich mit meiner Frau erst einmal zehn Tage auf den Malediven. Dort habe ich vom Fußball nicht viel mitbekommen. Das letzte Champions- League-Spiel gegen Lissabon war die erste Partie, die ich wieder gesehen habe.

PZ: Schalke-Manager Horst Heldt meinte, Sie finden bestimmt schnell wieder einen Job. Gab es schon Anfragen?

Jens Keller: Es gab lose Anfragen, ja. Vor allem aus dem Ausland. Aber für eine neue Aufgabe muss man bereit sein. Ich brauche noch etwas Zeit, um wieder voll durchstarten zu können.

PZ: Wie nutzen Sie Ihre freie Zeit? Viele Trainer im Wartestand hospitieren ja auch gerne…

Jens Keller: Ich genieße die freie Zeit, bleibe aber am Ball. Spiele anzuschauen, ohne sich groß Gedanken machen zu müssen, tut auch mal gut. Bei einem Verein mal reinschnuppern, würde ich gerne, doch Hospitanzen sind gar nicht so einfach zu bekommen. Viele Trainer wollen keinen Konkurrenten um sich haben.

PZ: Nach Ihrer Entlassung beim VfB haben Sie die B-Junioren von Schalke übernommen. Von den Profis zur Jugend ? können Sie sich solch einen Schritt erneut vorstellen?

Jens Keller: Nein, ich sehe meine Zukunft ganz klar im Profigeschäft. Wieder eine Jugendmannschaft zu trainieren, wäre ein Rückschritt für mich.

PZ: In Pforzheim basteln der 1. CfR und die Kickers an einem neuen Fusionsverein. Dafür sucht man noch einen Trainer, wie wär?s?

Jens Keller: (lacht) Danke fürs Angebot! Hört sich interessant an. Ist aber wohl nichts für mich.

PZ: Ohne dass Sie die Stadt Pforzheim und das Umfeld hier genau kennen ? welche Liga würden Sie einem großen Stadtverein zutrauen?

Jens Keller: Oh, das ist schwer zu sagen. Ich weiß nur, dass in Pforzheim früher viel Geld floss als ich vor 22 Jahren mit den VfB-Amateuren gegen den 1. FC Pforzheim und VfRPforzheim gespielt habe. Das waren immer heiße Duelle, die Mannschaften waren stark. Jetzt fehlt mir der Einblick in die hiesige Fußballszene. Pforzheim ist auf alle Fälle eine tolle Stadt, allerdings scheint es nicht ganz leicht zu sein, zwischen Karlsruhe und Stuttgart etwas aufbauen zu können.

PZ: Das höchste der Gefühle ist derzeit die Regionalliga. Dort spielt der FC Nöttingen. Den kennen Sie ja…

Jens Keller: DFB-Pokal, 1. Runde, knapper 2:0-Sieg. Wir mussten schwer kämpfen und hatten viel Glück. Hinterher in der Kabine war es sehr gesellig mit den Nöttinger Spielern.

PZ: Hoch her geht es seit dem 11.11. auch im Rheinland. Sie wohnen in der Nähe von Köln. Wie feiert der Schwabe Jens Keller Karneval?

Jens Keller: Für jemanden, der in der Öffentlichkeit steht, ist es natürlich schwierig, unerkannt zu bleiben. Doch ich werde bestimmt das richtige Kostüm finden, mich unters Volk mischen und dann auch mal kräftig auf die Pauke hauen.

Autor: Das Gespräch führte Dominique Jahn

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