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Privatsphäre: Wir bauen uns eine NSA

Gepostet am Mrz 16, 2016

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  1. Seite 1 ? Wir bauen uns eine NSA
  2. Seite 2 ? „Privatsphäre ist das Recht, nicht perfekt sein zu müssen“

Es heißt, gute Slogans machen gute Mützen. Und einen guten Slogan hatten Ellen Bijsterbosch und Tijmen Schep von der gemeinnützigen Organisation SETUP aus Utrecht mit nach Austin auf das South by Southwest Festival (SXSW) mitgebracht: Make the NSA Great Again, eine Anspielung auf Donald Trumps Wahlkampfmotto Make America Great Again. Kein Wunder, dass die roten Mützen mit dem Ende des Vortrags schneller weg waren als die Daten der US-Personalverwaltung.

Natürlich ging es in der Präsentation des Duos nicht bloß um Kopfbedeckungen. Unter dem Titel DIY NSA: Our Dubious Database of all the Dutch präsentierten sie in erster Linie ein Projekt an der Schnittstelle von Datenschutz und Medienkunst. Im vergangenen Jahr hatten die Mitglieder von SETUP, das sich selbst als gemeinnütziges Medienlabor bezeichnet, das Projekt ins Leben gerufen. Daraus entstanden ist am Ende der National Birthday Calendar, eine Datenbank der niederländischen Bürger, die neben Namen und Geburtstagen auch für jede Person eine persönliche Geschenkidee auf Basis ihrer Interesse enthält.

„Mit Technologie ist es ja in der Regel so: Entweder sie wird abgefeiert oder es heißt, sie sei so schlimm und wir müssen die Kinder vor ihr schützen“, sagte Schep. Im Fall von Big Data, von Datensammlungen im Netz und ihrer gezielten Auswertung, müsse aber zunächst vor allem eine öffentliche Debatte stattfinden, ergänzte Bijsterbosch. Gerade in einer Zeit, in der Menschen in den sozialen Netzwerken, aber auch auf vielen anderen Plattformen im Netz immer mehr Spuren hinterlassen, die sich zurückverfolgen lassen. Und das nicht nur durch Geheimdienste wie die NSA, sondern auch von Unternehmen oder einfach Menschen mit Geduld und etwas technischem Verständnis.

Regeln müssen sein

In der ersten Phase des National Birthday Calendar mussten die Künstlern und Aktivisten entsprechende Befugnisse einholen. In Zusammenarbeit mit niederländischen Datenschützern und Behörden entstanden Grundregeln für das Projekt: Die Daten, die SETUP von den Bürgern zusammentrug, durften keine sensitiven Daten wie sexuelle Orientierung oder Hautfarbe enthalten und nur aus öffentlichen Quellen kommen, nicht aus kriminellen Hacks. „Es gibt inzwischen so viele große Hacks wie etwa der von Ashley Madison, da war die Versuchung schon sehr groß“, sagte Bijsterbosch. Des Weiteren musste das Projekt auf einem verschlüsselten Server laufen und die Datenbank durfte nicht online abrufbar sein.

In der zweiten Phase suchten die Verantwortlichen nach Unterstützern und fanden sie bei einem Hackathon. An sechs Samstagen trafen sich insgesamt 35 Freiwillige, um die Daten zusammenzutragen. Zu dieser „selbst gebauten NSA“ gehörten nicht nur Programmierer und Hacker, die Websites in allen möglichen Formaten scrapen, also auf Daten hin untersuchen können, sondern auch Menschen, die „einfach grandios googeln konnten“, sagte Bijsterbosch. Schließlich geht es nicht nur um die Frage, wie man an Daten kommt und sie ordnet, sondern auch um die Frage, nach was man überhaupt suchen soll.

Wer sucht, der findet so einiges

In der dritten Phase ging es dann ans Eingemachte. Gemeinsam versuchten die Freiwilligen, möglichst viele Daten über alle niederländischen Bürger zu finden, immerhin rund 17 Millionen Menschen. Offensichtliche Ausgangspunkte waren bereits große, existierende Datenbanken wie das öffentliche Telefonbuch. Auf dessen Basis ging es immer weiter ins Detail: Facebook-, Twitter- und LinkedIn-Accounts lieferten Adressen, Geburtstage, Arbeitgeber und Hobbys der Menschen. Seiten wie archive.org gaben Einblicke in Websites, die seit 20 Jahren nicht mehr online sind. Spezielle Communitys wie etwa eine Datingwebsite für Menschen über 50 lieferte „unfassbar viele persönliche Informationen“, angefangen von Lieblingsbüchern bis hin zu Gebrechen und Krankheiten.

„Bei einer Person fanden wir heraus, dass sie lesbische Literatur schreibt, bei einem anderen, dass er an einer Hernie leidet“, sagte Bijsterbosch, „aber diese Informationen durften wir aufgrund der Regeln nicht verwerten“. Andere dagegen schon: Adressdaten lassen sich etwa mit Studien über die Einkommensverteilung in dem jeweiligen Gebiet verknüpfen. Geburtsdaten und Statistiken darüber, in welchem Alter die Niederländer durchschnittlich das erste Mal Sex haben, können mit historischen Musikcharts abgeglichen werden. „Wir kennen den Soundtrack zu deinem ersten Mal“, sagte Bijsterbosch unter dem Gelächter des Publikums in Austin.

793.251 Niederländer sind im National Birthday Calendar bislang eindeutig identifiziert. Etwa acht Millionen Datensätze gilt es noch zu verifizieren. Um die Echtheit zu demonstrieren, hatten sich Bijsterbosch und Schep zum Ende ihre Vortrags eine Aktion überlegt: Sie wählten fünf Menschen aus, die am Tag des Vortrags Geburtstag hatten. Das Publikum in Austin sollte bestimmen, wen sie anrufen, um ihm kollektiv ein Geburtstagsständchen zur späten Stunde zu singen. Die Wahl fiel schließlich auf Frank-Jan, Baujahr 1969, der am Telefon durchaus verdutzt klang.

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