Das eigene Auto ist für manche Deutsche Statussymbol und für viele Garant der Unabhängigkeit. Auch wenn hierzulande kein SUV auf dem Weg zum Supermarkt durch einen Wildbach brettern und kaum ein Sportwagen wild driftend auf der Rennpiste rasen muss ? es genügt schon das Versprechen, dass man es könnte. Und zwar jederzeit. Entsprechend gern jagen die Hersteller in Werbeclips ihre Autos durchs Gelände oder über einsame Straßen. In der Realität bleiben von der großen Freiheit neben dem täglichen Stau hohe Kosten für Anschaffung, Versicherung, Steuer, Reparaturen, Sprit und den mühsam ergatterten Parkplatz in der Stadt. Immer mehr Deutsche suchen daher nach einer stressfreien und womöglich günstigeren Alternative, die trotzdem ihre Mobilität nicht einschränkt. Carsharing empfiehlt sich da als die moderne und perfekte Lösung. Wobei vom ursprünglichen Gedanken ? ein paar Privatleute teilen sich ein Auto ? wenig übriggeblieben ist. Stattdessen tummeln sich eine ganze Reihe großer Anbieter mit unterschiedlichen Konzepten und Preismodellen auf dem Markt. Ihr Versprechen klingt so verlockend wie einfach: Per Smartphone-App ein Auto in der Nähe aussuchen, einsteigen, losfahren und es irgendwo wieder abstellen, wo es der nächste Kunde übernehmen kann. Das Ganze natürlich zum Sparpreis. Doch klappt das bei Car2Go, DriveNow und Flinkster tatsächlich so einfach? COMPUTER BILD hat fünf große Anbieter genauer unter die Lupe genommen.
Carsharing: Fünf Anbieter im Test
5 Carsharing-Dienste
Zu den Testkandidaten
Was kostet Carsharing?
Je nach Anbieter setzen sich die Kosten aus mehreren Faktoren zusammen:
- Anmeldegebühren: Alle Anbieter bis auf Greenwheels verlangen eine einmalige Anmeldegebühr zwischen 9 (Car2Go) und 50 Euro (bei Flinkster für Kunden ohne Bahn Card). Car2Go und DriveNow bieten zeitweise Gratis-Anmeldungen oder Rabatte, indem sie die Gebühr zum Teil mit Freifahr-Minuten ausgleichen.
- Grundgebühr: Cambio und Greenwheels verlangen in ihren Standardtarifen eine monatliche Grundgebühr zwischen 10 und 25 Euro, beide bieten aber auch eine Variante ohne diese feste Monatszahlung an. Dann sind die Preise für die Nutzung (Zeit- und Kilometer-Kosten) jedoch höher. Wer nur alle paar Wochen mal ein Auto braucht, fährt so günstiger. Bei regelmäßiger Nutzung ist der Tarif mit Grundgebühr unterm Strich teils deutlich preiswerter.
- Zeitpreis: Bei Car2Go und Drive Now kostet die Nutzung je nach Art des gemieteten Autos zwischen 0,24 und 0,34 Euro pro Minute. Beim Zwischenparken fallen 0,15 Euro (DriveNow) beziehungsweise 0,19 Euro (Car2Go) an. Beide bieten auch günstigere pauschale Stundentarife oder Zeitpakete an, die aber nach einem Monat verfallen und sich zum Teil monatlich erneuern, ähnlich einer Flatrate. Die anderen drei Kandidaten rechnen die erste Stunde pauschal ab, danach im Viertelstundentakt. Die Kosten liegen umgerechnet zwischen 0,01 und 0,13 Euro pro Minute, je nach Wagenart.
- Kilometerpreis: Bei Car2Go und DriveNow sind je Fahrt die ersten 200 Kilometer im Zeitpreis enthalten. Danach kostet es 0,29 Euro pro Kilometer zusätzlich. Bei Cambio, Flinkster und Greenwheels kostete der gefahrene Kilometer zum Testzeitpunkt im Standard-Tarif zwischen 0,15 und 0,35 Euro. Der genaue Preis ist vom Ort der Anmietung, der gewählten Wagenklasse (ein Transporter ist teurer als ein Kleinwagen) und vom aktuellen Benzinpreis abhängig und wird in regelmäßigen Abständen von den Anbietern angepasst.
- Benzinkosten: Kein Anbieter erhebt separate Spritkosten. Ist der Tank bei Abgabe des Wagens zu weniger als einem Viertel gefüllt, muss der Mieter das Auto bei einer kooperierenden Tankstelle auftanken ? bezahlt wird mit der Tankkarte im Handschuhfach.
- Zuschläge und Gebühren: Wer etwa die Tank- oder Kundenkarte verliert, einen Strafzettel erhält, den Wagen beschädigt oder mit dem Wagen zum Flughafen fährt, muss mit Zusatzkosten rechnen. Die Art und die Höhe der Kosten schwanken zum Teil je nach Anbieter stark.
So funktioniert Carsharing
Gibt es immer freie Autos?
Das größte Problem, wenn sich mehrere fremde Personen ein Auto teilen, ist die Verfügbarkeit. Anders gesagt: Carsharing ist nur dann sinnvoll, wenn Nutzer jederzeit auf ein freies Fahrzeug in der Nähe zugreifen können. Es müssen also genügend Autos an vielen Orten vorhanden sein, damit die Idee funktioniert. Die Testkandidaten lösen das Problem auf zwei verschiedene Arten:
- Free Floating: Car2Go und Drive Now funktionieren ohne feste Mietstationen. Das bedeutet, dass Nutzer die Fahrzeuge frei im öffentlichen Parkraum abholen und auch wieder abstellen. Die Rechnung geht dann auf, wenn die Flotte so groß ist, dass immer überall genügend Autos für die Kunden zur Verfügung stehen. Der Haken: Das Prinzip funktioniert nur in begrenzten Bereichen (?Geschäftsgebieten?), meist in Großstädten oder Metropolregionen. Dafür entfällt dort die Notwendigkeit, die Autos lange im Voraus zu reservieren und die Nutzungsdauer vorher festzulegen: Nutzer schnappen sich per Smartphone-App einfach das nächste freie Auto, fahren so lange, wie sie wollen und stellen es danach irgendwo im Geschäftsgebiet wieder ab.
- Stationär: Bei Flinkster, Cambio und Greenwheels stehen die Autos auf festen, teils privaten Parkplätzen. Dort müssen Nutzer sie abholen und später wieder hinbringen. Klar, je mehr solcher Stationen und je mehr Autos es gibt, desto komfortabler ist das System. In der Praxis haben aber alle noch Lücken: Flinkster bietet über 1.500 Stationen in ganz Deutschland an, hat aber nicht die dafür nötige Flottengröße. Folge: Nutzer finden zwar fast immer eine Station in der Nähe, jedoch nicht immer ein freies Fahrzeug. Bei Cambio und Greenwheels ist die Stations- und Flottendichte deutlich kleiner, was das Problem noch verschärft. Zudem hat das Stationsprinzip einen weiteren Haken: Die Nutzer müssen bei der Reservierung Angaben zur Anmietdauer machen. Zwar lässt sich der Nutzungszeitraum bei allen drei Anbietern per App auch während der laufenden Mietzeit ändern ? allerdings klappt die Verlängerung nur, wenn keine Folgebuchung vorliegt.
Sind die Fahrzeuge sauber?
Wer Carsharing-Dienste nutzt, teilt sich ein Auto mit vielen anderen Nutzern. Da stellt sich die Frage: Wie ist es eigentlich um Sauberkeit und Hygiene in den Fahrzeugen bestellt? Die Autos der Carsharing-Dienste, die COMPUTER BILD im Verlauf auslieh, machten zumindest oberflächlich fast immer einen sauberen Eindruck. Begegnungen mit kleinen Steinchen oder Ästen im Fußraum oder auch mal einem leeren Einweg-Kaffeebecher waren die Ausnahme. Fördert ein mikroskopischer Blick auf den hygienischen Zustand der Fahrzeuge mehr zutage? Eine mikrobiologische Untersuchung vom TÜV Rheinland soll für Aufklärung sorgen. Dazu wurden in Hamburg zufällig je zwei Fahrzeuge pro Anbieter ausgewählt und pro Fahrzeug jeweils zwei Abstriche der Oberflächen am Fahrersitz, am Lenkrad, am Schalthebel und am fahrerseitigen Türgriff innen genommen. Im mikrobiologischen Labor des TÜV Rheinland untersuchten Experten die Proben anschließend auf Schimmel und gesundheitsgefährdende Keime. Resultat: Vor allem auf dem Sitz fanden sich in 70 Prozent der Fahrzeuge erhöhte Keimmengen, auf dem Lenkrad oder dem Schalthebel dagegen nie. Allerdings, so die TÜV-Experten, sei der Befund weder ungewöhnlich noch alarmierend: An vergleichbaren Orten wie Türklinken oder U-Bahn-Sitzen und sogar im eigenen Pkw sähe das Resultat sehr wahrscheinlich ähnlich aus, denn die gefundenen Bakterien kommen überall vor. Gefährliche Krankheitserreger fanden die Experten in keinem Fahrzeug. Anders gesagt: Die vom TÜV Rheinland gefällten Urteile zum hygienischen Zustand der Testfahrzeuge könnten bei der Untersuchung privater Fahrzeuge ähnlich ausfallen. In der Praxis gilt: Wer bei einem Carsharing-Anbieter auf ein verdrecktes Auto trifft, sollte es melden ? und dann ein anderes Fahrzeug mieten. Die Anbieter lassen die Fahrzeuge nach eigener Aussage zwar regelmäßig reinigen, aber ein Ausreißer ist nie auszuschließen. Der Test hat gezeigt: Generell ist der hygienische Zustand der Fahrzeuge gut.
Carsharing: Unfall ? was nun?
Carsharing ? die Lösung für alle?
Nein. In Metropolregionen und Großstädten wird Carsharing immer beliebter, denn dort funktioniert es gut. Allerdings markieren Stadtgrenzen auch meist das Ende des Carsharing-Traums, denn auf dem Land funktioniert das Prinzip in der Praxis einfach nicht. Dort müssten die Anbieter so viele Fahrzeuge zur Verfügung stellen, dass sich das Geschäftsmodell nicht mehr rechnen würde ? weder für die Kunden noch für die Anbieter. Deshalb sind die Carsharing-Dienste nur sehr vereinzelt außerhalb der großen Städte zu finden ? und das dürfte auch so bleiben. In dicht besiedelten, verkehrsreichen Gegenden können DriveNow & Co. für Gelegenheitsfahrer aber die Anschaffung eines eigenen Autos überflüssig machen. Wer jedoch häufig ein Auto braucht, muss genau rechnen: Für Fahrer, die über die Jahre viele Kilometer zurücklegen, ist das eigene Auto trotz der Anschaffungskosten am Ende erheblich günstiger.
Carsharing-Test-Fazit ? und was es für Sie bedeutet
Theoretisch hat Carsharing das Zeug zur verkehrspolitischen Revolution. Wer das nicht glaubt, muss sich nur einmal in einer deutschen Großstadt umsehen: Die Straßen sind in der Regel genauso voll oder überfüllt wie die Straßenränder und Freiflächen ? und zwar mit Fahrzeugen. Das deutet auf ein großes Problem hin: Es gibt einfach zu viele Autos. Die Idee, sich mit mehreren Nutzern ein einziges Auto zu teilen, klingt da wie die Zauberformel für freiere Innenstädte und womöglich sogar bessere Luft. Doch dieses Potenzial hat Carsharing nur theoretisch, denn in der Praxis hapert es trotz aller guten Absichten noch an zu vielen Unwägbarkeiten: Eine tatsächlich flächendeckende Verfügbarkeit bei gleichzeitig bequemer Nutzung bieten derzeit nur die Free-Floating-Systeme von Car2Go und DriveNow ? aber auch nur in den scharf begrenzten Geschäftsgebieten. Wenn Sie 50 Meter von der Grenze entfernt sind, befinden Sie sich in der Carsharing-Wüste. Die drei anderen Anbieter locken zwar mit günstigeren Preisen, aber im Alltag sind sie viel zu umständlich ? gerade die junge, hippe Carsharing-Gemeinde entwickelt ihr Fahrbedürfnis spontan. Mit ihrem stationsgebundenen Ausleih-Prinzip sowie dem Zwang zur vorherigen Zeitfenster-Reservierung gewinnen Cambio, Flinkster und Greenwheels bei dieser Zielgruppe aber keinen Blumentopf mehr. Dienste wie Car2Go und DriveNow sind dagegen fast zwangsläufig teurer, weil sie deutlich mehr Fahrzeuge bereitstellen. Das heißt aber auch: Wenn Sie regelmäßig ein Auto brauchen, fahren Sie mit dem eigenen Pkw günstiger. Die logische Folge ist ein Nebeneinander von Privatautos und Carsharing-Fahrzeugen, das die Straßen in den Citys nicht leerer, sondern sogar noch voller macht. Sie wohnen auf dem Land? Dann führt bislang ohnehin kaum ein Weg am eigenen Auto vorbei, denn flächendeckendes Carsharing ist in der Provinz Zukunftsmusik.
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