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- Seite 1 ? Erstes Unternehmen verklagt den BND
- Seite 2 ? Maulkorb statt Erklärungen
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Wenn Kommunikationsunternehmen einen Brief vom Bundesnachrichtendienst bekommen, haben sie kaum eine Wahl: Sie müssen die Gesprächs- und Internetdaten ihrer Kunden herausrücken. Selbstverständlich sollen sie über das ganze Verfahren schweigen. Und nicht nur das, sie können sich auch nicht dagegen wehren. Sie dürfen nicht einmal beim BND oder beim Innenministerium nachfragen, ob die geforderte Überwachung rechtens ist. Der Frankfurter De-CIX, der größte Internetknotenpunkt der Welt, hat jahrelang solche Überwachungsanordnungen bekommen und widerstrebend befolgt. Jetzt will der Betreiber des Netzknotens das nicht länger hinnehmen.
„Wir haben beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Klage gegen den Bundesnachrichtendienst eingereicht“, sagt Klaus Landefeld. Er ist einer der Vorstände des Internetverbandes eco, zu dem die Firma gehört, die den De-CIX betreibt. Es ist das erste Mal, dass ein Unternehmen dagegen klagt, dem BND beim Spionieren helfen zu müssen. Sollten die Betreiber des De-CIX gewinnen, müssten Überwachungsnormen wie das sogenannte G10-Gesetz oder das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst wohl völlig neu verhandelt werden.
Der De-CIX ist ein Netzknoten. Er verbindet die Internetleitungen von hunderten Internetanbietern miteinander, sodass sie Daten austauschen können. Nur dadurch ist es möglich, dass ein Internetnutzer in Deutschland sich Websites ansehen kann, die auf Servern in Russland oder in Australien liegen. Der Datenverkehr von Millionen Menschen geht durch die Leitungen des De-CIX in Frankfurt am Main, mehrere Terabyte in jeder Sekunde.
Nicht nur für den BND ist der Netzknoten eine Fundgrube. Im Jahr 2014 wurde bekannt, dass der BND am De-CIX in Frankfurt Daten absaugte, durchsuchte und die Ergebnisse der Suche mit dem amerikanischen Geheimdienst NSA teilte. Eikonal lautete der interne Tarnname des Projektes, das international für Aufregung sorgte.
Im Jahr 2008 stand der BND das erste Mal beim De-CIX vor der Tür und wollte Daten aus den Internetleitungen. Das Betreiberunternehmen des Netzknotens hatte damals schon Zweifel an der Rechtmäßigkeit, sagt Landefeld. Heute ist er überzeugt, dass der BND und die Bundesregierung gegen das Grundgesetz verstoßen, wenn sie versuchen, nach der derzeitigen Praxis das Internet zu überwachen. Damit ist er nicht allein. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, hat sich den Fall angeschaut und ein Rechtsgutachten geschrieben, das der Klage zugrunde liegt.
Kai Biermann
Kai Biermann ist Redakteur im Team Investigativ/Daten bei ZEIT ONLINE. Seine Profilseite finden Sie hier.
Laut Gesetz ist der BND für die sogenannte strategische Fernmeldeüberwachung zuständig. Das bedeutet, dass er Kommunikation zwischen Deutschland und dem Ausland wie mit einem Schleppnetz nach bestimmten Stichworten durchsuchen darf. Geregelt ist das in Paragraf 5 des G10-Gesetzes. Die Stichworte für die Suche muss sich der BND von einer Kontrollkommission genehmigen lassen, der G10-Kommission des Bundestages. Das Gesetz stammt aus einer Zeit, als das Internet noch keine Rolle spielte. Trotzdem ist es bis heute die gültige Rechtsgrundlage.
Geschützte Kommunikation ist ein Menschenrecht
Will der BND Daten sammeln und durchforsten, die sich komplett im Ausland befinden und keinen Bezug zu Deutschland oder Deutschen haben, gibt es gar kein Gesetz. Der BND darf das nach Auffassung der Bundesregierung einfach tun, da Spionage international nicht geregelt oder verboten ist. Und so sind BND und Bundesregierung bis heute überzeugt, sie dürften beim De-CIX sämtliche Daten einsammeln, die von ausländischen Kommunikationsverbindungen stammen.
Hans-Jürgen Papier ist da ganz anderer Meinung. Die Annahme, dass dieses Vorgehen mit dem Grundgesetz vereinbar sei, „ist schlicht falsch“, sagt der frühere Verfassungsrichter. Der Artikel 10 des Grundgesetzes, der die Kommunikation schütze, sei ein Menschenrecht. „Das steht jedem zu, nicht nur deutschen Staatsbürgern“, sagt Papier. „Das bindet auch den BND, unabhängig davon, ob es um Kommunikationsverkehre im Inland oder im Ausland geht. Ich kann nicht verstehen, wie die Bundesregierung der Auffassung folgen kann, dass für weite Teile der Überwachungsmaßnahmen des BND der Artikel 10 gar nicht gilt.“
Papiers Vorwürfe (hier eine Kurzfassung des Rechtsgutachtens als PDF), sind schwer genug. Aber sie sind nur ein Teil des Problems.
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