Der Justizminister ist auf Distanz zu den Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen Journalisten gegangen. Auch das Kanzleramt nennt das Vorgehen problematisch.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht die Ermittlungen gegen das Blog netzpolitik.org wegen Landesverrats kritisch. „Ich habe heute dem Generalbundesanwalt mitgeteilt, dass ich Zweifel daran habe, ob die Journalisten mit ihrer Veröffentlichung die Absicht verfolgt haben, die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen“, sagte Maas. Er habe auch Zweifel, „ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt, dessen Veröffentlichung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt“.
Inzwischen äußerte sich auch das Kanzleramt ? wenn auch nicht offiziell. Nach Informationen der dpa hält das Bundeskanzleramt das Vorgehen von Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft gegen die Journalisten für problematisch. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) selbst hätten in ähnlichen Fällen auf juristische Schritte verzichtet. Deshalb sei der jetzige Vorgang überraschend. In Regierungskreisen wurde darauf verwiesen, dass generell „Kollateralschäden“ berücksichtigt werden müssten, wenn gegen Journalisten ermittelt werde. Das solle vermieden werden.
Das Kanzleramt wusste nach Informationen aus Regierungskreise nichts von den Ermittlungen. Das Bundesinnenministerium hatte laut ZDF hingegen Kenntnis von der Anzeige des Verfassungsschutzpräsidenten gegen das Blog. Wie heute.de berichtet, informierte Hans-Georg Maaßen den zuständigen Abteilungsleiter sowie die Staatssekretärin im Ministerium. Ein Ministeriumssprecher sagte, der Innenminister habe von der Anzeige keine Kenntnis gehabt. Das würde bedeuten, dass Thomas de Maizière von seinen hochrangigen Beamten nicht informiert worden wäre.
Maas kündigte eine Überprüfung des Landesverratsparagrafen an. Die Pressefreiheit bezeichnete Maas in einer Erklärung als hohes Gut. Es werde „zu klären sein, ob die strafrechtlichen Vorschriften über Landesverrat und über den Schutz von Staatsgeheimnissen im Verhältnis zur Pressefreiheit insgesamt reformbedürftig sind.“
Maas reagierte zudem auf Medienberichte, denen zufolge Generalbundesanwalt Harald Range die Ermittlungen gegen die Journalisten von netzpolitik.org vorerst unterbrochen habe. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte Range mit den Worten zitiert, seine Behörde sehe mit „Blick auf das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit“ von „nach der Strafprozessordnung möglichen Exekutivmaßnahmen“ ab. Es sei zunächst in einem Gutachten zu klären, ob es sich bei den Veröffentlichungen tatsächlich um preisgegebene Staatsgeheimnisse handelt. „Bis zum Eingang des Gutachtens wird mit den Ermittlungen innegehalten“, gibt die FAZ den Generalbundesanwalt wider. Dieses Vorgehen war allerdings bereits am Donnerstagabend von der Süddeutschen Zeitung bekannt gemacht worden ? weshalb nicht von einer Änderung des Verfahrens gesprochen werden kann.
Schaar: „Das hat das Potenzial, das einen Minister das Amt kosten könnte“
Für den früheren Datenschutzbeauftragten Peter Schaar trägt das Innenministerium die politische Verantwortung für die Ermittlungen gegen die Journalisten. „Ich gehe davon aus, dass sich Herr Maaßen im Ministerium grünes Licht geholt hat“, sagte Schaar heute.de. Die Erkenntnisse könnten seiner Meinung nach Konsequenzen für de Maizière haben: „Das hat das Potenzial, das einen Minister das Amt kosten könnte.“ Zunächst war lediglich bekannt geworden, dass der Verfassungsschutz gegen die Quellen des investigativen Blogs ermittelt.
Netzpolitik.org berichtet über Datenschutz, Urheberrecht, Überwachung und die Arbeit der Geheimdienste im Netz. Die Journalisten hatten auch über Pläne des Bundesamtes für Verfassungsschutz berichtet, soziale Netzwerke stärker zu überwachen. Dazu stellten die Journalisten vertrauliche Unterlagen ins Netz. Maaßen erstattete wegen der Veröffentlichung Anzeige. Range leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats gegen zwei Journalisten von netzpolitik.org ein.