?aber ich versuche mich (relativ) kurz zu halten
?Hallo Moni! Na wie war´s?? von Freunden, Kollegen, Familie eine häufig gestellte Frage in den letzten 14 Tagen. Die Standard-Antwort kennt ihr sicher von eigenen Touren: ?Ja, war schön. Schöne Gegend?? dann vielleicht noch eine kleine Anekdote von dort, die einem als erstes in den Sinn kommt ? fertig. Dabei ist ja jede Tour so viel mehr als in ein paar Sätze passen würde. Ja, wie war´s denn eigentlich? Da musste ich selber erst mal überlegen, denn anders als bei einem ?normalen? Urlaub, musste ich diese fünf Tage erst einmal sacken lassen. Es war irgendwie alles: schön, anstrengend, lustig, schmerzhaft, faszinierend, spannend, rührend?
Die ganze Zeit nur super Wetter, was für ein Glück!
Ein Start bei schönstem Sonnenschein, morgens um 9 Uhr, was wünscht man sich mehr? Und ich gestehe, für mich als Mitarbeiterin in der Outdoor-Branche war es einfach herrlich diese ?Materialschlacht? am Start zu sehen. Fjällräven-Logos so weit das Auge reicht und so viel weiteres Trekking-Equipment ?in freier Wildbahn?. Und ich sage euch Mädels, vergesst Designer-Jeans, Frauen sehen in Fjällräven-Hosen einfach super aus! (meine persönliche Meinung, ich kriege keine Provision von dem schwedischen Hersteller ) Am besten hatte es mir gefallen, die vielen Chinesen und Koreaner zu beobachten, während wir auf den Startschuss warteten. Die meisten Teilnehmer wirkten gelassen, cool und abgeklärt und die asiatischen Wanderer waren so voller kindlicher Freude, dass es einfach herrlich war ihnen zuzuschauen. Sie hüpften herum, lachten, waren so aufgeregt wie Kinder und machten?natürlich?.jede Menge Fotos.
Ehrlich gesagt kam mir hier der Gedanke, wie sicher auch einigen anderen: ?Ach Du je, muss es eigentlich eine solche Massenveranstaltung sein? Warum sind wir nicht in einer Zeit gekommen, in der hier nicht so viel los ist? Der Kungsleden ist ja schließlich immer da.? Und schon am ersten Abend war mir klar: ?Ja, es muss diese Großveranstaltung sein!? Auf dem Weg traf man immer wieder dieselben Leute (sofern sie ein ähnliches Tempo haben). Man lernte so seine Mitwanderer kennen, kam ins Gespräch, freute sich füreinander, bedauerte die Blase am Fuß des anderen und holte sich gute Tipps und Anekdoten ab. Da war zum Beispiel der Chinese, der viel alleine gelaufen ist und immer gesungen hat, da war die mit dem großen Hund, der immer an der Leine gezerrt hat und jedes Mal, wenn ihr Mann ein Foto von ihr machen wollte, war sie schon wieder fünf Meter weiter gezogen worden. Da war der Koreaner der ganz merkwürdig gelaufen ist, fast so als wäre er betrunken und als wir ihn fragten, ob wir helfen können, grinste er uns an und meinte, es könnte vielleicht daran liegen, dass er bereits Ende sechzig ist?im Gesicht sah er aus wie vierzig
Einmal stand eine Gruppe ganz junger Leute an der Seite und einer spielte auf einer Mundharmonika ?Yellow Submarine?. ?Gänsehautfeeling pur!? würde Steffi aus dem NDR2-Schlemmerbistro jetzt sagen ? das Lied hörte auch der singende Chinese und sang dann den ganzen Tag diesen Song.
Und ihr glaubt gar nicht, was die Leute so alles mitnehmen!
An einem Rucksack hing ein richtiger Klappstuhl, in einer Seitentasche sah ich ein großes Glas!!! Instant-Kaffee, der doch leichter in einem Zipplock-Beutel mitgereist wäre. Während mein Waschbeutel aus einem kleinen Packsack mit Zahnbürste, Mini-Zahnpasta, kleines Stück Seife und leichtem Trekking-Handtuch bestand, staunte ich nicht schlecht als mir am nächsten Morgen jemand mit einer richtig fetten Leder-Kulturtasche vom Fluss entgegenkam. Doch auch das wurde noch getoppt und zwar von Reini, der sein riiiiesiges Frottee-Badehandtuch außen an seinen Rucksack hängte, damit es tagsüber trocknen konnte. Als dann noch Hannes einen Hammer auspackte um die Zeltheringe einzuschlagen, war es ganz vorbei und ich musste wissen, was er sich dabei gedacht hatte: sein Sohn (6 Jahre alt) hatte ihn inbrünstig überredet, dass er den unbedingt mitnehmen müsse und immer an ihn denken sollte, wenn er ihn benutzt?zu süß?und was für ein toller Papa!
Alle Jungs können den folgenden Absatz überspringen
Alle Mädels wollen auch sicher wissen, wie es nun um das ?Püscher-Problem? stand . Jeden Tag kamen wir an einem Plumpsklo vorbei. Das wusste ich vorher auch nicht und die Luft war darin auch nicht immer so toll, aber alles in allem war das sehr hilfreich. Beim Wasserlassen unterwegs war es mitunter doch tatsächlich etwas schwierig, da die Landschaft meist kilometerweit einsehbar war und überall Wanderer unterwegs waren. Da hieß es aushalten bis ein dicker Stein kommt, oder?.zum Glück gab es für mich immer zur rechten Zeit einen großen Felsen
Die Strecke war gar nicht mal so einfach zu laufen! Überall dicke Felssteine um die man herum und hinüber musste, immer balancierend mit den Trekkingstöcken und 16 Kilo auf dem Rücken. Und dann hatte ich als einzige Norddeutsche auch noch das ?Pech?, mit einem Team aus Österreichern und Bayern unterwegs zu sein. Von der sprachlichen Barriere einmal abgesehen (am Ende hob i scho fascht so g´redet wie die), werden Österreicher meines Erachtens wohl mit der dreifachen Menge an Beinmuskulatur geboren Als ich sie am ersten Abend kennengelernt hatte (hoffentlich liest das hier keiner von ihnen!) dachte ich mir, was für ein Glück, so viele ältere Herren (sorry ihr Lieben) dann werden wir zum Glück nicht so schnell unterwegs sein?.von wegen! Die beiden Ältesten waren immer schon ein bis zwei Stunden früher am verabredeten Zeltplatz als der Rest. Das hatte zur Folge, dass Hannes seinem schnellen Zeltnachbarn vor der letzten Etappe 5-6 Kilo Steine in den Rucksack gepackt hatte, um ihn mal etwas zu bremsen. Ächzend setzte er morgens den Rucksack auf und rief scherzhaft zu Hannes rüber ?Sag amol, hast Du mir Steine do nei packt?? und dieser erwiderte ?Ja klar hob i des g`macht!? Wir anderen hatten uns fast in die Hosen gemacht und mussten uns das Lachen verkneifen?.aber schon wieder waren die beiden so viel eher am Ziel als der Rest der Truppe Dort hatte es der Steine-Schlepper dann auch gemerkt?keine Ahnung, ob er sich beim Hannes schon ?revanchiert? hat, auf jeden Fall nahm er es mit Humor.
Was ich mit einer Bahnschranke gemeinsam hab
Aber zurück zur Strecke. Während ich so am Herumbalancieren war, hatte ich leider nicht viel Zeit die wunderbaren Ausblicke auf die schöne Landschaft zu genießen, schließlich hatte ich genug damit zu tun, tempomäßig mit den anderen einigermaßen mitzuhalten. Einige Streckenabschnitte waren mit Holzplanken ausgelegt, auf denen man sich besonders konzentrieren muss. Und so kam es, dass ich eine Sekunde mal nicht aufgepasst hatte und daneben trat. Wie in Zeitlupe fiel ich gerade nach vorne über, die Trekkingstöcke in der Hand konnten mich so schnell nicht stützen. Ich landete auf dem Bauch und frontal mit dem Gesicht auf dem Boden. ?Wie a Bahnschranken bist umg´fallen? meinte Reini später. Eigentlich kann man wohl gar nicht so viele Schutzengel haben, aber genau da, wo ich mit Gesicht und Oberkörper aufschlug, war?Gras! Davor und dahinter Steine und Gestrüpp und ich mag mir gar nicht ausmalen, wie das sonst ausgegangen wäre. Und so war mein erster Gedanke als ich da lag ?Jaaa, Gras!!!? Und dann fiel mir auf, dass ich gar nicht hochkommen konnte. Ich lag da wie eine Schildkröte mit 16 Kilo Gepäck auf dem Rücken und den Gurten von den Trekkingstöcken an den Handgelenken und hatte keine Chance mich zu rühren. Doch da kam schon ein Wanderer angesprungen, der in der Nähe gerade Pause machte. Er pulte mir die Stöcke von den Händen und nahm mir den Rucksack runter. Erst danach fingen die Schmerzen im Bein an. Ich setzte mich auf und checkte erst einmal, ob etwas gebrochen war, denn ich hing mit den Beinen so halb zwischen den Planken?.dramatische Pause?liest sich wie ein Krimi oder? Glück gehabt! Alles heil. Bis auf eine riesige aufgeschürfte Fläche am Schienbein, die dann auch noch richtig schön blau wurde. Reini, der ein Stück weit hinter mir lief, säuberte die Stelle mit seinem letzten Trinkwasser, uiiih, das hat vielleicht gebrannt?.aber?gejammert wird nicht und so ging es dann tapfer weiter. Die Österreicher sind so ein fröhliches und auch hilfsbereites Volk und so schaffte ich es ab der Mittagspause nicht es abzulehnen, dass mir meine lieben Wanderkollegen Zelt, Isomatte und Kocher für diesen und den darauf folgenden Tag abnahmen, damit sich mein Bein unter dem geringeren Gewicht erholen konnte.
Da draußen sind wir doch alle gleich!
Ich hatte ja anfangs befürchtet, die Unsportlichste von allen auf der Tour zu sein, dass alle anderen das ganz gelassen mal eben so ?wuppen?. Aber das war keinesfalls so! In den Gruppen, die an der Strecke Pause machten oder abends an den Zeltplätzen, sah ich richtig viele abgeklebte Füße voller Blasen und getapte Knie und sogar einen Wanderer mit Kopfverletzung. Ich sah Leute, die oben auf ihrem eigenen Rucksack noch den von ihrem erschöpften Freund quer drüber gelegt trugen und sah wie einer mit kaputten Knien Huckepack getragen wurde. Das war alles sehr anrührend und zeigte, dass doch so einige an ihre Grenzen gebracht wurden, die sie zuvor nicht vermutet hatten. Es waren Kleine und Große unterwegs, Dicke und ganz Dünne, Alte und Junge, Schnelle und Langsame und so brauchte hier keiner das Gefühl zu haben, irgendwie nicht hierher zu passen.
Und dann kam schon der Endspurt
Bei Tagesetappen bis zu 28 Kilometern, kam mir die letzte Etappe mit 15 Kilometern vor wie ein gemütlicher Spaziergang. Es war der fünfte und somit der letzte Tag. Nach dieser Zeit hatte man sich gerade so richtig an die körperliche Belastung, das Gewicht und auch an das Team gewöhnt. Doch schon war es wieder vorbei. Wir gingen die restliche Strecke betont langsam und machten mehr Pausen. Dann kam auch schon ein Schild, dass es nun bis zum Ziel nur noch 550 Meter sind?komisches Gefühl! Schließlich kamen wir durch ein Tor und standen plötzlich auf einer Schotterstraße mit angrenzendem Parkplatz voller Autos?Zivilisation! Einige hundert Meter weiter erreichten wir tatsächlich das Ziel und als wir einliefen begannen die bereits Anwesenden zu klatschen und zu rufen und einige unserer Österreicher gaben freudige, laute Jodelrufe zum Besten.
Ja? da waren wir? erstmal gegenseitig im Team umarmen, Küsschen links, Küsschen rechts, ein letztes Mal den Wanderpass abstempeln lassen und die Goldmedaille abholen. Dann begann es zu regnen, also schnell rein ins Trekker´s Inn Zelt, Bier und Rentier-Döner für alle! Und als wir da saßen und alle wild am Durcheinanderreden waren, war ich noch gar nicht angekommen?komisch, das war es jetzt? Ich dachte das wäre alles so suuuper schwierig und für jemanden wie mich kaum zu schaffen? Doch nun saß ich hier? Es war mega-anstrengend und den Sturz hätte ich jetzt nicht gebraucht aber es war absolut machbar? cool! Und dann grinste ich super stolz in mich hinein und konnte gar nicht mehr damit aufhören.
Mein Fazit:
Das hab ich geschafft! Es steckt doch immer so viel mehr in einem, als man erst einmal glaubt, man muss es nur versuchen. Ich hab´s geschafft 110 Kilometer in fünf Tagen durch die Berge zu laufen. Nach außen hat mich das nicht verändert (naja ok, ich hab immerhin so viel Fett in Muskeln verwandelt, dass ich jetzt eine Hosengröße kleiner tragen kann ) Doch innen macht das so einiges, kann ich euch sagen und ich bin gespannt und neugierig, was ich sonst noch alles so bewerkstelligen kann und werde.
Von Herzen wünsche ich auch euch eine solche Erfahrung!
Eure Moni
PS: Ein Album mit vielen weiteren Bildern von der Tour findet ihr auf Facebook!