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Facebook: Das Idioten-Problem lässt sich nicht outsourcen

Gepostet am Aug 28, 2015

Justizminister Maas tut so, als könnte Facebook die Hasstiraden gegen Flüchtlinge im Netz alleine stoppen. Dabei steht er auch selbst in der Verantwortung.

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Wer muss gegen die Hasstiraden gegen Flüchtlinge auf Facebook vorgehen? Nur Facebook selbst?  |  © Dado Ruvic / Reuters

Heiko Maas hat ein Problem mit Facebook. Der Bundesjustizminister ist der Ansicht, das US-Unternehmen lasse zu viele fremdenfeindliche, rassistische oder gar volksverhetzende Nutzereinträge unangetastet, selbst wenn andere Nutzer sie als anstößig melden. Nun will Maas von Facebook wissen, ob und wie das Unternehmen das ändern will. Sein Brief (hier im Wortlaut) liest sich jedoch, als ob er ein Problem auf Facebook abwälzen will, das unter anderem auch seines ist.

Natürlich könnte Facebook seine Gemeinschaftsstandards verschärfen und mehr Einträge löschen. Doch so einfach, wie das klingt, ist es nicht. Facebook würde sich schnell den Vorwurf einhandeln, die in Deutschland sehr weitgehende Meinungsfreiheit seiner Nutzer einzuschränken. „Im Zweifel lieber löschen“ ist ohnehin eine Einstellung, mit der sich US-Unternehmen schwertun, siehe Reddit oder Twitter.

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Zudem würde sich Facebook beinahe zwangsläufig von einem politisch weitgehend neutralen zu einem parteiischen Plattformanbieter entwickeln. Es gibt ? wenn auch mit anderen Vorzeichen ? Präzedenzfälle: Während des Arabischen Frühlings gestattete Facebook seinen Nutzern, auch Videos und Bilder zu veröffentlichen, die eigentlich als anstößig eingestuft und gesperrt hätten werden müssen, weil sie Gewalttaten durch regierungstreue Gruppen dokumentierten. Facebook entschied sich, Partei zu ergreifen und die Demonstranten zu unterstützen, indem es deren Inhalte stehen ließ. Aber verständlicherweise will Facebook keine einseitige Plattform sein.

Anderseits können die Gemeinschaftsstandards auch nicht bleiben, wie sie sind. Der WDR-Journalist Dennis Horn zeigt hier an mehreren Beispielen, warum Einträge menschenverachtend sein können, ohne dabei gegen die Facebook-Vorgaben zu verstoßen. Solange zum Beispiel nur allgemein gegen Flüchtlinge gehetzt wird, die Facebook derzeit nicht als besonders geschützte Gruppe definiert, kann ein Eintrag stehenbleiben. An dieser Stelle könnte Facebook nachbessern.

Doch selbst wenn die Gemeinschaftsstandards verschärft würden: Facebook die Entscheidung zu überlassen, welche laut Maas regelmäßig auftretenden Äußerungen einen Straftatbestand wie Volksverhetzung erfüllen, ist heikel. Denn wie der Publizist und Unternehmer Christoph Kappes bemerkte, wünscht sich der Minister damit vom Privatunternehmen Facebook die Übernahme polizeilicher beziehungsweise hoheitlicher Aufgaben. Soll das US-Unternehmen wirklich allein entscheiden, welche Inhalte rechtswidrig sind oder sollte dies nicht die Aufgabe der deutschen Justiz sein? Wenn Maas ein Zeichen gegen Fremdenhass setzen will, muss er dafür sorgen, dass jene verfolgt werden, die zu Gewalt aufrufen und jene geschützt, die bedroht werden.

Andererseits kann niemand ernsthaft wollen, dass die Polizei alle Facebook-Einträge liest und im Verdachtsfall Ermittlungen einleitet. Praktisch wäre das ohnehin nicht umsetzbar, trotz XKeyScore und der neuen Internetüberwachungseinheit des Verfassungsschutzes.

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