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- Seite 1 ? Regierung nur zu minimalen Zugeständnissen bereit
- Seite 2 ? Die Regierung erkennt keinen Verstoß gegen EU-Recht
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Die große Koalition will das geplante Gesetz gegen rechtswidrige Hasskommentare und strafbare Falschnachrichten im Internet in einigen Punkten überarbeiten. Das geht aus der Gegenäußerung der Bundesregierung auf die umfangreiche Kritik des Bundesrates an dem Gesetzentwurf hervor. Demnach will die Regierung prüfen, ob mit zusätzlichen Klarstellungen im Gesetz ein sogenanntes Overblocking verhindert werden kann. Grundsätzlich sieht sie jedoch keine Gefahr, dass mit dem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) die Informations- und Meinungsfreiheit beschränkt wird.
Eine solche Einschränkung hatte zuletzt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten gesehen. Mit den vorgesehenen Regelungen werde in das Recht auf freie Meinungsäußerung eingegriffen. Schon bei der Definition von Hatespeech und Fake News gebe es Probleme. „Wenn es keine allgemeingültige Definition von Fake News gibt, lassen sich deren Wirkungen – insbesondere destruktive – kaum nachweisen“, heißt es in dem Papier. Orientierungshilfen, Beispiele oder Hinweise auf ausgewählte Beispiele für offensichtlich rechtswidrige, rechtswidrige oder strafbare Inhalte würden im Gesetzentwurf nicht angegeben. Was auch daran liegen dürfte, dass das Justizministerium keine Beispiele kennt.
Prüffrist könnte verlängert werden
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Das NetzDG
Das von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vorgeschlagene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) soll eine Maßnahme gegen Hass, Hetze und gezielte Falschdarstellungen im Internet sein.
Es würde die Betreiber sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter und YouTube verpflichten, „offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden“ nach Eingang einer Beschwerde zu löschen oder zu sperren. Für nicht offensichtlich rechtswidrige Inhalte hätten sie sieben Tage Zeit.
Bei wiederholten Verstößen droht ? wenn auch eher theoretisch ? ein Bußgeld von bis zu 50 Millionen Euro.
Die Unternehmen müssten außerdem einen Ansprechpartner in Deutschland für Justiz, Bußgeldbehörden und Betroffene nennen.
Betroffene bekämen einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch nach der Identität des Täters. Ein Richtervorbehalt ist im vom Kabinett verabschiedeten Entwurf nicht explizit vorgesehen.
Nach Ansicht der Bundesregierung sind „Kollateralschäden für die Kommunikationsfreiheiten durch sogenanntes Overblocking nicht zu befürchten“. Dies liege auch daran, dass „nicht ein einzelnes (fehlerhaftes) Nichtlöschen bußgeldbewehrt ist, sondern nur systemisches Versagen“. Das wäre der Fall, wenn es überhaupt kein Beschwerdemanagement gäbe. Dennoch werde geprüft, ob „weitere Mechanismen“ zum Schutz vor einem zu starken Löschen sinnvoll seien. Dazu könnte auch gehören, die Frist von sieben Tagen bei der Prüfung „schwieriger Grenzfälle“ auszudehnen.
Zudem will die Regierung prüfen, „ob Ergänzungen notwendig sind, um die Wiederherstellung zu Unrecht gelöschter Inhalte abzusichern“. In diesem Zusammenhang hatte der Bundesrat die Einrichtung einer Clearingstelle gefordert. Denkbar für die Bundesregierung wäre „ein Monitoring des Umgangs der sozialen Netzwerke mit Wiederherstellungsansprüchen von Nutzerinnen und Nutzern, wenn diese darauf hinweisen, dass ihre Inhalte zu Unrecht gelöscht wurden und Wiedereinstellung der Inhalte begehren“.
CSU will „Zensurgesetz“ stoppen
Die geplante Ausweitung der Bestandsdatenauskunft für betroffene Personen soll jedoch nicht gestrichen werden. Hier soll lediglich geprüft werden, „ob zum Schutz vor Missbrauch und vor übereilten Entscheidungen der Diensteanbieter die Einfügung eines Richtervorbehalts“ erforderlich erscheine. Einem Bericht der Frankfurter Rundschau zufolge soll vor allem die Union auf diese Ausweitung gedrängt haben. Damit könnten Betroffene die Namen anonymer Nutzer erfahren, die sich auf Bewertungsplattformen negativ über Ärzte geäußert hätten. Denn Ärzte seien Unionsklientel. Aus SPD-Kreisen verlaute, dass sich CDU und CSU damit ihre Zustimmung abkaufen lassen wollten.
Allerdings gab es zuletzt vor allem aus der CSU Kritik an den Plänen von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). So twitterte der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich: „Und das Zensurgesetz von Maas werden wir verhindern!“ Die CSU-Abgeordnete Iris Eberl sagte der Bild-Zeitung: „So schleicht die Diktatur in unser Land.“ Einige Abweichler und Hinterbänkler sind aber nicht in der Lage, das Gesetz zu stoppen.
Normenkontrollrat kritisiert Kostenschätzung
Unbeeindruckt zeigt sich die Regierung zudem von der Kritik des Normenkontrollrates, wonach die zu erwartenden Kosten für Verwaltung und Wirtschaft nicht korrekt angegeben worden seien. Sie halte „nach nochmaliger Prüfung an der von ihr dargestellten Höhe des Erfüllungsaufwands für die Wirtschaft fest“, schreibt die Regierung in ihrer Antwort. Allerdings räumt sie ein, dass es dafür keine „belastbaren Schätzgrundlagen“ gibt, da diese mit dem Gesetz erst erhoben werden sollen. Der Rat, der die finanziellen Auswirkungen von Gesetzen prüft, störte sich zudem daran, dass lediglich Google, Facebook und Twitter zu den Kosten befragt wurden. Allerdings erfolglos.
„Ebenfalls ohne Begründung und daher nicht nachvollziehbar“ ist nach Ansicht der Normenkontrollrats die Kostenschätzung bei der erweiterten Bestandsdatenauskunft. Wie bei den sozialen Netzwerken hätten Fallzahlen zugrundegelegt werden müssen. Diese gibt es nach Angaben der Bundesregierung nicht, „da die Zahl der Persönlichkeitsverletzungen in sozialen Netzwerken statistisch nicht erhoben wird“. Dabei unterschlägt die Regierung die Tatsache, dass die erweiterte Bestandsdatenauskunft nicht nur für soziale Netzwerke, sondern für alle Telemediendienste gilt. Es gibt im Grunde keinen Zusammenhang mit dem Hatespeech-Gesetz.