Die Oracle-Chefin Safra Catz bezeichnete Java als damals unverzichtbare Technik für Oracle und warf Google vor, mit Android gegen das für Java geltende Paradigma „write once, run anywhere“ verstoßen zu haben.
Bei der Neuauflage des Rechtsstreits zwischen Oracle und Google wegen des möglicherweise unerlaubten Einsatz diverser Java-APIs im mobilen Betriebssystem Android stand Safra Catz, Co-CEO von Oracle, zu Anfang dieser Woche Rede und Antwort. Außerdem waren mit Edward Screven und Mark Reinhold zwei hochrangige Oracle-Ingenieure geladen.
Java unverzichtbar für Oracle
Catz, die seit 1999 für Oracle arbeitet, wurde unter anderem über die Beweggründe ihres Arbeitgebers befragt, Sun Microsystems 2009 zu übernehmen. In ihrer Antwort verwies sie darauf, das Sun zu den Unternehmen gehört habe, die infolge der Krise zu Anfang der 2000er-Jahre geschwächelt hätten. Das hätte auch noch oder gerade mit Jonathan Schwartz als neuem CEO gegolten, dessen Strategie nicht sonderlich erfolgreich gewesen wäre. Diese hätte auch in die Java-Entwicklung mit hineingespielt, die zu der Zeit aufgrund personeller Engpässe und mangelnder strategischer Fokussierung nahezu zum Erliegen gekommen war. So wartete die Java-Comunity seit 2006 auf einen Nachfolger für Java 6.
Zu der Zeit wäre aber Java bereits eine absolut unverzichtbare Technik für Oracles SOA-Plattform Fusion gewesen. Zur Sicherung der eigenen Anwendungsplattform und um die Innovation in der Java-Entwicklung wieder voranzutreiben, hätte man damals schnell die Bücher geprüft, dann IBM überboten und schließlich mit Sun die Vereinbarung getroffen, das Unternehmen zu übernehmen.
Catz bezeichnete Java vor Gericht, dabei den jetzigen Oracle-Vorstandschef Larry Ellison zitierend, als wichtigsten Vermögenswert, den Oracle je übernommen habe. In der Folge der Sun-Akquise habe Oracle in Java investiert ? die Rede ist von mehreren 100 Millionen US-Dollar ?, um die durch Android auseinanderdriftende Java-Community wieder zusammenbringen und neue Versionen der Programmierplattform veröffentlichen können. Diese Investitionen seien durch Google und Android in Gefahr. Die Offenheit von Java thematisierend, warf die Managerin Google vor, dass Android das für Java geltende Paradigma „write once, run anywhere“ außer Kraft gesetzt habe. Denn für Android entwickelter Java-Code laufe nur auf Android und nirgendwo anders.
Abweichende Einschätzung
Oracle hätte im Zuge der Übernahme noch keine Absicht gehabt, Google wegen möglicher Urheberrechtsverletzungen im Android-System zu verklagen, versicherte Catz. Vielmehr hätte es zuvor schon Gespräche zwischen dem Sun-Management und Google über die Lizenzierung von Java für Android gegeben. Auch sei damals davon die Rede gewesen, dass Android ein nicht autorisierter Fork von Java wäre. Schwartz hatte letzte Woche bei seiner Befragung eher den Eindruck erweckt, dass Sun mit Forks wie GNU Classpath und Apache Harmony habe leben müssen und es keine gängige Praxis gewesen wäre, gegen diese rechtlich vorzugehen.
Google-Anwalt Robert Van Nest hatte Oracle außerdem unterstellt, frühzeitig Google vor Gericht ziehen zu wollen. Larry Ellison, damaliger CEO des Datenbankriesen, hätte damals beschlossen, dass es zu spät wäre, Java für ein eigenes Smartphone zu nutzen oder sich mit Google zusammenzutun. Schon zu der Zeit wären erste Ansprüche erhoben worden.
Verteidiger des geistigen Eigentums
Als Motivation, so massiv für das geistige Eigentum vor Gericht einzutreten, brachte die Oracle-Chefin hervor, dass das gesamte Geschäft ihres Unternehmens auf den Ideen und Arbeiten seiner Programmierer und Angestellten fuße. Oracle gebe jährlich 5,5 Milliarden Dollar für Forschung und Entwicklung aus. Etwas zu erschaffen sei harte Arbeit, etwas zu kopieren dagegen sehr einfach. Wenn es keine Rechte zum Schutz des geistigen Eigentums gebe, hätte Oracle keine Handhabe, die brillanten Ideen seiner Angestellten zu schützen.
Catz bestätigte außerdem, dass Oracles Lizenzgeschäft bei Java durch Android gestört worden sei. Kunden wie Samsung, ZTE und Motorola, die für gewöhnlich die Java-Lizenzen käuflich erworben hätten, kaufen nun keine Lizenzen mehr bei Oracle, da sie das frei verfügbare Android nutzen. Früher mal 40 Millionen Dollar schwere Lizenzverträge brächten heute nur noch eine Million Dollar. Als Beispiel brachte Catz den früheren Kunden Amazon, der sich bei seinem E-Reader Kindle Fire für Android entschieden hatte. Hingegen Oracles Java beim Kindle Paperwhite zu lizenzieren sei nur zustande gekommen, nachdem Oracle einen Rabatt von 97,5 Prozent eingeräumt hatte. Schließlich sei das Konkurrenzprodukt kostenlos zu haben gewesen.
Was sagen die Techniker?
Oracles Chief Corporate Architect Edward Screven, der wohl auf die Entscheidungen zur Übernahme von Sun beratend eingewirkt hatte, stärkte seiner Chefin den Rücken. Er hätte an Sun als gutem Statthalter von Java damals gezweifelt. Die Entscheidung zur Akquise wäre vor dem Hintergrund gefallen, das eigene Geschäft zum Wachsen zu bringen und nicht mit dem Versuch, Google zu verklagen.
Screven wurde außerdem zu Apache Harmony befragt, einer Java-Implementierung, bei der sich die Android-Entwickler bedient hatten. Sie wäre mithilfe einer Specification License betrieben worden. Damit das Harmony-Projekt eine unabhängige Implementierung von Java ausliefern hätte können, brauchte es eine TCK-Lizenz (Technology Compatibilty Kits) und musste die Implementierung die TCK-Tests bestehen. Android sei heute die noch einzige Java-Implementierung, die über Harmony Java nicht lizenziert nutze.
Mark Reinhold, Chefarchitekt der Java Standard Edition (Java SE), der schon bei Sun für die Java-Entwicklung verantwortlich war, verglich Googles Verhalten mit dem Klauen und Umschreiben von Schlüsselszenen in Harry Potter. Nicht zum ersten Mal musste also Joanne K. Rowlings Romanzyklus in der Auseinandersetzung zwischen Oracle und Google herhalten.
Ausgangssituation
Es ist mittlerweile knapp sechs Jahre her, dass Oracle Google verklagt hatte; erst kurz zuvor war Oracle durch die Übernahme von Sun Microsystems in den Besitz der Patente und Rechte um Java gekommen. Der Datenbankriese sieht mittlerweile einen Schaden von 9,3 Milliarden US-Dollar, was der zehnfachen Summe des ursprünglich veranschlagten Summe entspricht. Die Neubewertung erfolgt über einen Gesamtgewinn von 42 Milliarden Dollar, den Google über Android eingefahren haben soll.
In der ersten gerichtlichen Auseinandersetzung hatte der zuständige Bezirksrichter den Vorwurf zurückgewiesen, dass mit der Übernahme von 37 Java-APIs in Android Urheberrechte verletzt würden. Allerdings hatte das US-amerikanische Bundesberufungsgericht in der Folge dessen Urteil aufgehoben, und das Verfahren war, nachdem Google beim obersten Gerichtshof mit einer Petition über die Beurteilung der Fair-Use-Klausel gescheitert war, an das Bezirksgericht zurückgegeben worden.
Googles Strategie dieser Tage zielt darauf, ein Fair-Use-Urteil zu erreichen. Das hätte zur Folge, dass die Geldstrafe geringer ausfallen würde, als wenn sich das Gericht für eine Urheberrechtsverletzung ohne Fair Use aussprechen würde. Jedoch hat es zwischen Sun und Google nie eine Auseinandersetzung darüber gegeben, ob die Nutzung der Java-APIs in Android einem Fair Use entsprechen. (ane)