Tom Hanks stürmt mit einer Schreibmaschinen-App die iTunes-Charts. Kim Kardashian verdient Millionen mit einem seichten Handyspiel. Wie konnte das passieren?
Shook Shook. Mit dieser seltsamen Lautmalerei preist der Schauspieler Tom Hanks seine iPad-App an, die in diesen Tagen bis an die Spitze der amerikanischen iTunes-Charts stürmte. Hanx Writer heißt sie stilecht im Nuller-Jahre-Technikslang, und sie simuliert eine Schreibmaschine: „Mit dem Hanx Writer hörst Du den Rhythmus Deiner Arbeit“, heißt es in der Pressemitteilung, denn nichts kann die App besser, als das klackernde Geräusch des Tastenhackens auszugeben. Shook Shook.
Dem Schreibmaschinen-Liebhaber Hanks ist die App eine Herzensangelegenheit, schließlich arbeitet der Oscar-Preisträger gerne analog, kann aber in der heutigen Zeit nicht auf die digitale Kommunikation verzichten. Der Hanx Writer verbinde deshalb das Beste aus zwei Welten. Mindestens. Ach ja, für ein paar Dollar gibt es natürlich weitere virtuelle Modelle und bunte Farbbänder direkt in der App zu erwerben. Irgendwie muss damit ja Geld verdient werden.
Hanks virtuelle Schreibmaschine wäre nicht weiter erwähnenswert, hätte sie nicht gerade Kim Kardashian: Hollywood vom Thron der iTunes-Charts gestoßen. Das Smartphone-Spiel des notorischen B-Promis, des Reality-TV-Stars, des Models und It-Girls, der Modedesignerin, Selfie-Queen und Ehefrau von Rapper Kanye West tummelt sich seit der Veröffentlichung im Juni auf den vorderen Plätzen. Es ist die konsequenteste Symbiose zwischen Promi- und Technikwelt und außerdem ein Millionengeschäft.
Kardashian killt „Candy Crush“
Anfangs wurde Kim Kardashian: Hollywood, in Insiderkreisen nur KKH genannt, von den meisten ähnlich euphorisch aufgenommen wie eine Beitragserhöhung der Krankenkasse. In KKH geht es darum, mit seiner Spielfigur von einem unbeschriebenen Hollywood-Blatt zum Promi aufzusteigen, was in Kardashians bunter Cartoon-Welt vor allem immer schickere Klamotten, die richtigen Dates, Freunde und Auftritte bedeutet ? und reichlich Bildschirmklicken.
Weil der Aufstieg in den Promi-Olymp ganz schön lange dauert, können Spieler nachhelfen, indem sie in der App echtes Geld in K-Coins umtauschen. Ab und zu taucht dann Frau Kardashian persönlich auf und kommentiert den Spielverlauf oder sich selbst: „I love Fashion!“ Es ist der Stoff, aus dem Klickbeziehungen gemacht sind: Ein bisschen oberflächlich das Ganze, aber ist man erst mal dabei, will man das Smartphone doch nicht mehr aus der Hand geben.
So flach die Spielidee, so steil ist die Erfolgskurve: Millionenfach wurde das Spiel heruntergeladen, über 200.000 fast ausschließlich positive Bewertungen finden sich allein auf iTunes. Branchenanalysten zufolge könnte das Spiel dem Entwickler Glu Media bis zum Ende des Jahres 200 Millionen US-Dollar einbringen. Das Spiel ist so erfolgreich, dass es selbst am Erfolg von Candy Crush Saga, dem lange Zeit unangefochtenen König der Zeitfresser im App-Store, zu nagen scheint. Kardashian selbst soll mit 45 Prozent an den Umsätzen vo KKH beteiligt sein.
Das „progressivste Spiel des Jahres“
Erstaunlicher als der Erfolg sind nur die Reaktionen, die Kim Kardashian: Hollywood unter Akademikern und Journalisten hervorruft: „Faszinierend“, schreibt die New York Times. „Es macht süchtig“, heißt es in der Washington Post. Stuart Dredge vom Guardian hat das Spiel in seinem Urlaub ein bisschen vermisst, und Megan Farokhmanesh von Polygon nennt es das „progressivste Spiel des Jahres“, weil es so erfrischend offen mit Homosexualität umgeht.
Andere verteufeln das Spiel, was nicht weniger erheiternd ist: Die Bestseller-Autorin Ayelet Waldman wünscht den Machern die Pocken an den Hals, weil ihre Kinder 120 US-Dollar für In-App-Käufe ausgaben. Und die US-Umweltbehörde twitterte aus Versehen, dass sie nun zum C-Promi im Spiel aufgestiegen ist.
Whoops?our bad. Sorry about tweet. Upside – more attention for the Office of Water (http://t.co/GhuYcpwqwx), thanks @KimKardashian
? U.S. EPA Water (@EPAwater) July 22, 2014